19
.
March
2024
·
8
Minuten Lesezeit

Paralleles Denken für bessere Technologie- und Architekturentscheidungen

Technologie- und Architekturentscheidungen sind per se schwer zu treffen. Eine häufig auftretende Herausforderung bei der Entscheidungsfindung sind vorgefertigte Meinungen oder Informationen, die nicht allen Personen zugänglich sind. Und wenn zusätzlich rationale und emotionale Argumente vermischt werden, dann wird auch der Kommunikationsstil sehr schnell emotional. Infolgedessen ist es nahezu unmöglich, gute und vor allem objektive Entscheidungen zu treffen, für die sich alle Beteiligten verantwortlich fühlen.

Bei open knowledge verwenden wir Architecture Decision Records (ADRs), einfach strukturierte Dokumente, um architektonische Entscheidungen festzuhalten. Bei der Erarbeitung eines ADRs, d.h. dem Beschließen einer Architekturentscheidung, können die oben bereits erwähnten Probleme und Herausforderungen auftreten. Daher haben wir uns entschlossen, Paralleles Denken anzuwenden und wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich ADRs und Paralleles Denken sehr gut ergänzen, um Entscheidungen – auch unter Berücksichtigung emotionaler Aspekte - herbeizuführen und zu dokumentieren.

Mit Parallelem Denken beschreibt Edward de Bono eine Kreativitätstechnik, bei der das Denken aller Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet wird. Alle Teilnehmenden denken in die gleiche Richtung, d.h. sie denken parallel. Besonders bekannt sind hierbei die „Sechs Denkhüte von Edward de Bono“. Bei den “Sechs Denkhüten” durchlaufen alle Teilnehmenden innerhalb eines mehrphasigen Denkprozesses mehrere Perspektivenwechsel.  

Praxisbeispiel

In einem Projekt hatten wir uns zu Beginn für Server Side Rendering (SSR) entschieden. Mit Fortschreiten des Projektes haben wir aber festgestellt, dass eine Single Page Application (SPA) die bessere Option sein könnte. Wir haben daher einen kreativen Denkprozess genutzt, um zu entscheiden, ob wir weiterhin bei SSR bleiben oder zu einer SPA wechseln.  

Im Gegensatz zu anderen Formen des innovativen Denkens, wie z.B. dem fast schon klassischen Brainstorming, wollten wir in unserem Denk- und Analyseprozess bewusst Raum für emotionale Argumente schaffen. Aber wir wollten sie auch von emotionalen Gründen trennen.

Architecture Decision Record

Der Post „Documenting Architecture Decisions” von Michael Nygard aus dem Jahre 2011 wird häufig als Ausgangspunkt für die Einführung von ADRs betrachtet. Nygard schlägt in diesem Post folgende Struktur für die Dokumentation einer Architekturentscheidung vor:

  • Titel – Kurze, den Inhalt des ADR wiedergebende, Beschreibung.
  • Kontext – Wertneutrale Aufführung der Einflussfaktoren, die bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden mussten. Diese Faktoren können von technologischer, politischer, sozialer oder projektspezifischer Natur sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass mögliche Spannungsverhältnisse der Faktoren untereinander benannt werden.
  • Entscheidung – Beschreibung der unter Berücksichtigung des Kontexts getroffenen Entscheidung.
  • Status – Aktueller Status der Entscheidung. Beispiele: „proposed“, „accepted“ oder „deprecated”.
  • Konsequenzen – Auflistung aller Folgen, die aus der getroffenen Entscheidung resultieren. Dieser Abschnitt enthält sowohl positive, negative als auch neutrale Konsequenzen.

Weiterhin schlägt Nygard vor, dass ein ADR maximal zwei Seiten lang sein sollte und empfiehlt, diesen so zu schreiben, als ob es sich um ein Gespräch mit einem zukünftigen Entwickler handelt. Dieses setzt einen guten Schreibstil und insbesondere vollständig formulierte Sätze voraus.

Sechs Denkhüte von de Bono

Unser Denken ist geprägt von der Argumentation, also der Konfrontation, d.h. statt zielgerichtete Dialoge zu führen tauschen wir in Diskussionen Argumente aus - auf Rede folgt Gegenrede. So weit, so gut. Wenn dann aber z.B. Informationen zunächst bewusst aus strategischen, taktischen oder politischen Gründen zurückgehalten werden, um sie später zum eigenen Vorteil zu verwenden, dann bilden sich bei Diskussionen zwischen den Gesprächspartnern verhärtete Fronten, die dazu führen, dass auch Mehrheitsentscheidungen nachfolgend nur widerwillig mitgetragen werden.  

Paralleles Denken hingegen bedeutet, dass alle am Denkprozess beteiligten Personen eine Situation zu jeder Zeit aus dem gleichen Blickwinkel betrachten, d.h. sie befinden sich stets in derselben Denkphase.

Um die einzelnen Denkphasen zu kennzeichnen, tragen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen imaginären Hut, dessen Farbe die jeweilige Denkrichtung repräsentiert:

  • Blauer Hut – Ordnendes, moderierendes Denken
  • Weißer Hut – Analytisches Denken. In dieser Phase werden Fakten und Informationen zusammengetragen.
  • Roter Hut – Emotionen und Empfindungen. Wir neigen dazu, Gefühle bei Entscheidungsprozessen zu unterdrücken. Stattdessen konstruieren wir Argumente, hinter denen wir unsere Emotionen verstecken. Ein offenes Benennen unserer Gefühle ist aber essenziell wichtig, um gute und möglichst objektive Entscheidungen treffen zu können.
  • Schwarzer Hut – Kritisches Denken, Risiken. Zu beachten ist der altgriechische Ursprung des Begriffes „kritisch": Er stammt von „kritos" und „kritikos", was „beurteilen" bzw. „beurteilend" bedeutet. Eine kritische Denkweise impliziert somit nicht zwangsläufig eine negative Betrachtung.
  • Gelber Hut – Optimistisches Denken, Chancen.
  • Grüner Hut – Kreatives Denken, Ideen, Lösungen, Alternativen.

Beim Parallelen Denken ist es wichtig, dass alle Beteiligten stets denselben Hut tragen. In der Phase des grünen Hutes denken also alle Teilnehmenden über Lösungsideen nach. Und da niemand einen schwarzen Hut trägt, werden neue Ideen in dieser Phase auch nicht kritisch hinterfragt.

Die Denkphasen können in beliebiger Reihenfolge und auch mehrfach durchlaufen werden. Wichtig ist aber, dass alle Beteiligten wissen, in welcher Phase sie sich gerade befinden. Erfahrungsgemäß empfiehlt es sich mit dem weißen Hut zu beginnen, damit alle Personen über dieselben Informationen verfügen. Wenn sich nachfolgend in anderen Denkphasen neue Informationen ergeben, so werden diese nicht missachtet, sondern alle Beteiligten setzen sich erneut gemeinsam den imaginären weißen Hut auf und tragen ggfs. noch weitere neue Fakten zusammen. Nachfolgend werden auch andere Denkphasen, die bereits durchlaufen wurden, erneut durchlaufen.

Zurück zu unserem Praxisbeispiel

In unserem Beispiel hatten wir den roten Hut, also das Benennen der Emotionen, bewusst als letzte Denkphase eingeplant. Ein analytisches Hinterfragen der emotionalen Beweggründe führte dazu, dass wir mitunter neue Informationen, Risiken und Chancen entdeckt haben, mit denen wir unsere bisherige Lösungsidee wieder hinterfragen konnten.

Ein emotionales Argument, wie z.B.  “Ich finde SPAs aber besser.”, haben wir gezielt hinterfragt (“Warum findest Du SPAs besser?”), um herauszufinden, ob es wirklich ein emotionales Argument ist oder doch rationale Beweggründe hinter dieser Aussage stecken. Wenn wir im Rahmen dieses Prozesses neue Informationen oder rationale Argumente entdeckt haben, dann sind wir vom roten Hut wieder in eine andere, frühere Denkphase gewechselt und haben uns überlegt, welche Auswirkungen die Erkenntnisse auf unsere Lösungsidee haben. Auf diese Art haben wir einen iterativen Prozess durchlaufen, der sukzessive immer wieder neue Informationen, Risiken, Ideen, Chancen aber auch Gefühle hervorgebracht hat, die wir beim Finden der für uns optimalen Lösung einfließen lassen konnten.

Wenn wir festgestellt haben, dass es für eine emotionale Einschätzung keine rationalen Gründe gibt, dann haben wir diesen Aspekt dennoch in unsere Entscheidung einfließen lassen, denn wie wir wissen, so kann auch unser Bauchgefühl ein guter Ratgeber sein.

Der roter Hut für Emotionen und Empfindungen
Der rote Hut für Emotionen und Empfindungen

Fazit

Die Kreativitätstechnik des Parallelen Denkens führt dazu, dass alle Personen sowie ihre Ideen, Argumente, Meinungen und auch Gefühle in einem ausreichenden Maße gehört und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden können. Dieser gemeinsame Prozess der Ideen- und Konzeptentwicklung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass alle Beteiligten die getroffene Entscheidung in einem hohen Maße akzeptieren und sich für diese verantwortlich fühlen. Es handelt sich nicht mehr um eine als subjektiv betrachtete Entscheidung einzelner Entscheidungsträger oder Wortführer, sondern um eine als objektiv betrachtete Entscheidung aller beteiligten Personen.  

Im Gegensatz zum faktenbasierten Kontext eines ADRs berücksichtigen die „Sechs Denkhüte“ bewusst auch Emotionen und erweitern die Entscheidungsfindung um eine weitere Komponente. Und auch die im Kontextbereich eines ADRs aufzuführenden möglichen Spannungsverhältnisse einzelner Einflussfaktoren werden im Rahmen des parallelen Denkprozesses mit einer vermutlich höheren Wahrscheinlichkeit aufgedeckt als beim bloßen Brainstorming o.ä. Denkprozessen. Generell trägt das gemeinsame Offenlegen aller Informationen (“weißer Hut”) dazu bei, dass wir uns bei der Entscheidungsfindung im richtigen Kontext befinden.

Ein gut dokumentierter Denkprozess dient als sehr gute zusätzliche Dokumentation einer Architekturentscheidung. Insbesondere, wenn die Notizen so gut formuliert sind, dass sie auch der zukünftige Entwickler verstehen kann. Darüber hinaus werden diese Notizen bei der Formulierung eines ADRs sehr hilfreich sein.

Unbedingt zu beachten ist, dass der Erfolg der sechs Denkhüte von de Bono abhängig von der Moderation des Prozesses ist. Der erste Einsatz dieser Kreativitätstechnik fühlt sich mitunter schwerfällig an. Die Ursache dafür liegt aber nicht in der Methode, sondern daran, dass wir gezwungen werden, eine tief in uns verankerte argumentative, teilweise auch konfrontative Denkweise abzuwerfen und wieder lernen müssen, den Ausführungen anderer richtig zuzuhören, ohne sie umgehend zu bewerten.

Auch die von Ina Einemann in ihrem Blogartikel “Event Storming: Agile Modellierung für gute Softwareentwicklung” beschriebene Methodik beruht phasenweise auf Parallelem Denken.

Abweichende Verwendung der “Sechs Denkhüte”

In der Literatur werden die „Sechs Denkhüte“ auch so beschrieben, dass jede Person einen andersfarbigen Hut trägt. Dieses mag Sinn ergeben, um den Denkprozess der einzelnen Personen zu steuern und einen Perspektivwechsel zu fördern. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen parallelen Denkprozess.

No items found.

Bei open knowledge verwenden wir Architecture Decision Records (ADRs), einfach strukturierte Dokumente, um architektonische Entscheidungen festzuhalten. Bei der Erarbeitung eines ADRs, d.h. dem Beschließen einer Architekturentscheidung, können die oben bereits erwähnten Probleme und Herausforderungen auftreten. Daher haben wir uns entschlossen, Paralleles Denken anzuwenden und wir haben die Erfahrung gemacht, dass sich ADRs und Paralleles Denken sehr gut ergänzen, um Entscheidungen – auch unter Berücksichtigung emotionaler Aspekte - herbeizuführen und zu dokumentieren.

Mit Parallelem Denken beschreibt Edward de Bono eine Kreativitätstechnik, bei der das Denken aller Beteiligten auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet wird. Alle Teilnehmenden denken in die gleiche Richtung, d.h. sie denken parallel. Besonders bekannt sind hierbei die „Sechs Denkhüte von Edward de Bono“. Bei den “Sechs Denkhüten” durchlaufen alle Teilnehmenden innerhalb eines mehrphasigen Denkprozesses mehrere Perspektivenwechsel.  

Praxisbeispiel

In einem Projekt hatten wir uns zu Beginn für Server Side Rendering (SSR) entschieden. Mit Fortschreiten des Projektes haben wir aber festgestellt, dass eine Single Page Application (SPA) die bessere Option sein könnte. Wir haben daher einen kreativen Denkprozess genutzt, um zu entscheiden, ob wir weiterhin bei SSR bleiben oder zu einer SPA wechseln.  

Im Gegensatz zu anderen Formen des innovativen Denkens, wie z.B. dem fast schon klassischen Brainstorming, wollten wir in unserem Denk- und Analyseprozess bewusst Raum für emotionale Argumente schaffen. Aber wir wollten sie auch von emotionalen Gründen trennen.

Architecture Decision Record

Der Post „Documenting Architecture Decisions” von Michael Nygard aus dem Jahre 2011 wird häufig als Ausgangspunkt für die Einführung von ADRs betrachtet. Nygard schlägt in diesem Post folgende Struktur für die Dokumentation einer Architekturentscheidung vor:

  • Titel – Kurze, den Inhalt des ADR wiedergebende, Beschreibung.
  • Kontext – Wertneutrale Aufführung der Einflussfaktoren, die bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden mussten. Diese Faktoren können von technologischer, politischer, sozialer oder projektspezifischer Natur sein. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass mögliche Spannungsverhältnisse der Faktoren untereinander benannt werden.
  • Entscheidung – Beschreibung der unter Berücksichtigung des Kontexts getroffenen Entscheidung.
  • Status – Aktueller Status der Entscheidung. Beispiele: „proposed“, „accepted“ oder „deprecated”.
  • Konsequenzen – Auflistung aller Folgen, die aus der getroffenen Entscheidung resultieren. Dieser Abschnitt enthält sowohl positive, negative als auch neutrale Konsequenzen.

Weiterhin schlägt Nygard vor, dass ein ADR maximal zwei Seiten lang sein sollte und empfiehlt, diesen so zu schreiben, als ob es sich um ein Gespräch mit einem zukünftigen Entwickler handelt. Dieses setzt einen guten Schreibstil und insbesondere vollständig formulierte Sätze voraus.

Sechs Denkhüte von de Bono

Unser Denken ist geprägt von der Argumentation, also der Konfrontation, d.h. statt zielgerichtete Dialoge zu führen tauschen wir in Diskussionen Argumente aus - auf Rede folgt Gegenrede. So weit, so gut. Wenn dann aber z.B. Informationen zunächst bewusst aus strategischen, taktischen oder politischen Gründen zurückgehalten werden, um sie später zum eigenen Vorteil zu verwenden, dann bilden sich bei Diskussionen zwischen den Gesprächspartnern verhärtete Fronten, die dazu führen, dass auch Mehrheitsentscheidungen nachfolgend nur widerwillig mitgetragen werden.  

Paralleles Denken hingegen bedeutet, dass alle am Denkprozess beteiligten Personen eine Situation zu jeder Zeit aus dem gleichen Blickwinkel betrachten, d.h. sie befinden sich stets in derselben Denkphase.

Um die einzelnen Denkphasen zu kennzeichnen, tragen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einen imaginären Hut, dessen Farbe die jeweilige Denkrichtung repräsentiert:

  • Blauer Hut – Ordnendes, moderierendes Denken
  • Weißer Hut – Analytisches Denken. In dieser Phase werden Fakten und Informationen zusammengetragen.
  • Roter Hut – Emotionen und Empfindungen. Wir neigen dazu, Gefühle bei Entscheidungsprozessen zu unterdrücken. Stattdessen konstruieren wir Argumente, hinter denen wir unsere Emotionen verstecken. Ein offenes Benennen unserer Gefühle ist aber essenziell wichtig, um gute und möglichst objektive Entscheidungen treffen zu können.
  • Schwarzer Hut – Kritisches Denken, Risiken. Zu beachten ist der altgriechische Ursprung des Begriffes „kritisch": Er stammt von „kritos" und „kritikos", was „beurteilen" bzw. „beurteilend" bedeutet. Eine kritische Denkweise impliziert somit nicht zwangsläufig eine negative Betrachtung.
  • Gelber Hut – Optimistisches Denken, Chancen.
  • Grüner Hut – Kreatives Denken, Ideen, Lösungen, Alternativen.

Beim Parallelen Denken ist es wichtig, dass alle Beteiligten stets denselben Hut tragen. In der Phase des grünen Hutes denken also alle Teilnehmenden über Lösungsideen nach. Und da niemand einen schwarzen Hut trägt, werden neue Ideen in dieser Phase auch nicht kritisch hinterfragt.

Die Denkphasen können in beliebiger Reihenfolge und auch mehrfach durchlaufen werden. Wichtig ist aber, dass alle Beteiligten wissen, in welcher Phase sie sich gerade befinden. Erfahrungsgemäß empfiehlt es sich mit dem weißen Hut zu beginnen, damit alle Personen über dieselben Informationen verfügen. Wenn sich nachfolgend in anderen Denkphasen neue Informationen ergeben, so werden diese nicht missachtet, sondern alle Beteiligten setzen sich erneut gemeinsam den imaginären weißen Hut auf und tragen ggfs. noch weitere neue Fakten zusammen. Nachfolgend werden auch andere Denkphasen, die bereits durchlaufen wurden, erneut durchlaufen.

Zurück zu unserem Praxisbeispiel

In unserem Beispiel hatten wir den roten Hut, also das Benennen der Emotionen, bewusst als letzte Denkphase eingeplant. Ein analytisches Hinterfragen der emotionalen Beweggründe führte dazu, dass wir mitunter neue Informationen, Risiken und Chancen entdeckt haben, mit denen wir unsere bisherige Lösungsidee wieder hinterfragen konnten.

Ein emotionales Argument, wie z.B.  “Ich finde SPAs aber besser.”, haben wir gezielt hinterfragt (“Warum findest Du SPAs besser?”), um herauszufinden, ob es wirklich ein emotionales Argument ist oder doch rationale Beweggründe hinter dieser Aussage stecken. Wenn wir im Rahmen dieses Prozesses neue Informationen oder rationale Argumente entdeckt haben, dann sind wir vom roten Hut wieder in eine andere, frühere Denkphase gewechselt und haben uns überlegt, welche Auswirkungen die Erkenntnisse auf unsere Lösungsidee haben. Auf diese Art haben wir einen iterativen Prozess durchlaufen, der sukzessive immer wieder neue Informationen, Risiken, Ideen, Chancen aber auch Gefühle hervorgebracht hat, die wir beim Finden der für uns optimalen Lösung einfließen lassen konnten.

Wenn wir festgestellt haben, dass es für eine emotionale Einschätzung keine rationalen Gründe gibt, dann haben wir diesen Aspekt dennoch in unsere Entscheidung einfließen lassen, denn wie wir wissen, so kann auch unser Bauchgefühl ein guter Ratgeber sein.

Der roter Hut für Emotionen und Empfindungen
Der rote Hut für Emotionen und Empfindungen

Fazit

Die Kreativitätstechnik des Parallelen Denkens führt dazu, dass alle Personen sowie ihre Ideen, Argumente, Meinungen und auch Gefühle in einem ausreichenden Maße gehört und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden können. Dieser gemeinsame Prozess der Ideen- und Konzeptentwicklung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass alle Beteiligten die getroffene Entscheidung in einem hohen Maße akzeptieren und sich für diese verantwortlich fühlen. Es handelt sich nicht mehr um eine als subjektiv betrachtete Entscheidung einzelner Entscheidungsträger oder Wortführer, sondern um eine als objektiv betrachtete Entscheidung aller beteiligten Personen.  

Im Gegensatz zum faktenbasierten Kontext eines ADRs berücksichtigen die „Sechs Denkhüte“ bewusst auch Emotionen und erweitern die Entscheidungsfindung um eine weitere Komponente. Und auch die im Kontextbereich eines ADRs aufzuführenden möglichen Spannungsverhältnisse einzelner Einflussfaktoren werden im Rahmen des parallelen Denkprozesses mit einer vermutlich höheren Wahrscheinlichkeit aufgedeckt als beim bloßen Brainstorming o.ä. Denkprozessen. Generell trägt das gemeinsame Offenlegen aller Informationen (“weißer Hut”) dazu bei, dass wir uns bei der Entscheidungsfindung im richtigen Kontext befinden.

Ein gut dokumentierter Denkprozess dient als sehr gute zusätzliche Dokumentation einer Architekturentscheidung. Insbesondere, wenn die Notizen so gut formuliert sind, dass sie auch der zukünftige Entwickler verstehen kann. Darüber hinaus werden diese Notizen bei der Formulierung eines ADRs sehr hilfreich sein.

Unbedingt zu beachten ist, dass der Erfolg der sechs Denkhüte von de Bono abhängig von der Moderation des Prozesses ist. Der erste Einsatz dieser Kreativitätstechnik fühlt sich mitunter schwerfällig an. Die Ursache dafür liegt aber nicht in der Methode, sondern daran, dass wir gezwungen werden, eine tief in uns verankerte argumentative, teilweise auch konfrontative Denkweise abzuwerfen und wieder lernen müssen, den Ausführungen anderer richtig zuzuhören, ohne sie umgehend zu bewerten.

Auch die von Ina Einemann in ihrem Blogartikel “Event Storming: Agile Modellierung für gute Softwareentwicklung” beschriebene Methodik beruht phasenweise auf Parallelem Denken.

Abweichende Verwendung der “Sechs Denkhüte”

In der Literatur werden die „Sechs Denkhüte“ auch so beschrieben, dass jede Person einen andersfarbigen Hut trägt. Dieses mag Sinn ergeben, um den Denkprozess der einzelnen Personen zu steuern und einen Perspektivwechsel zu fördern. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um einen parallelen Denkprozess.

No items found.

Weitere Artikel aus unserem Blog