Fragt man Software-Architekt:innen nach den wichtigsten Eigenschaften eines modernen, wartbaren Systems, hört man fast reflexartig dieselbe Antwort: loosely coupled und highly cohesive. Das klingt nach einer eleganten, fast schon naturgegebenen Wahrheit, so als sei diese Kombination der unumstößliche Schlüssel zu Robustheit, Flexibilität und Zukunftssicherheit. Doch je tiefer man in die praktische Arbeit eintaucht, desto deutlicher zeigt sich, dass diese Formel weit mehr Interpretationsspielraum bietet, als es auf den ersten Blick scheint.

Die Idee hinter hoher Kohäsion ist schnell erklärt: Was fachlich zusammengehört, gehörtauch in denselben Modulkontext. Ein Modul soll einen klar definierten Auftrag haben, es soll aus Bestandteilen bestehen, die gemeinsam ein fachliches Zielverfolgen, und es soll nach außen möglichst wenig Implementierungsdetails Preisgeben. Dieser Fokus macht Module verständlicher und handhabbarer und damit in der täglichen Arbeit auch deutlich leichter wartbar.
Lose Kopplung ergänzt dieses Bild, indem Module möglichst wenig voneinander abhängig sein sollen. Idealerweise können Modul-Teams Änderungen vornehmen, ohne ständig in Konflikt mit anderen Modulen oder sogar anderen Teams zu geraten. In einer perfekten Welt könnte man jedes Modul für sich entwickeln, testen, deployen und betreiben – und all das ohne Angst, irgendwo unbeabsichtigt einen Seiteneffektauszulösen (Abbildung 01).

Doch sobald man genauer hinschaut, zeigt sich, dass diese Idealvorstellung keineswegs selbstverständlich ist. Alle Kombinationen, die vom Ideal abweichen, werden oft reflexhaft als „schlecht“ eingeordnet: das alt bekannte Big-Ball-of-Mud-Phänomen, ein System ohne erkennbare Struktur; lose gekoppelte, aber fachlich schwammige Module, die Komplexität eher erzeugen als reduzieren; oder stark verflochtene, aber fachlich saubere Module, die zwar gut abgegrenzt, aber eng voneinander abhängig sind (Abbildung 02).

Dabei lohnt essich, genauer hinzusehen. Nicht jede enge Kopplung ist automatisch ein Makel.Und nicht jede lose Kopplung führt automatisch zu einem robusteren System. DieRealität ist weit nuancierter.
Der entscheidende Haken an der Sache ist, dass lose Kopplung immer auch einen technischen und organisatorischen Preis hat. Wer Module voneinander isoliert, muss ihrer Kommunikation Raum schaffen – und genau dieser Raum kann teuer werden.
APIs müssen gestaltet, dokumentiert, versioniert und getestet werden. Ein eventbasierter Ansatz erfordert das Design von Event-Typen, eine zuverlässige Infrastruktur und eine durchdachte Fehlerstrategie. Und egal ob Events oder APIs: Sobald Module in unterschiedlichen Versionen gleichzeitig im Einsatz sind, steigt der Testaufwand förmlich exponentiell.
Auch die Robustheit kommt nicht von allein. Systeme, die sich zur Laufzeit gegenseitig nicht kennen sollen, müssen mit Resilience-Patterns abgesichert werden. Fallbacks, Timeouts, Circuit Breaker, Retries – all das will gebaut, konfiguriert und überwacht werden. Was in einem Architekturdiagramm noch leichtaussieht, ist in der Praxis ein beträchtlicher organisatorischer und technischer Aufwand.
Je mehr man über lose Kopplung spricht, desto klarer wird: Das Konzept klingt wunderbar –aber es kommt nicht ohne weiteren, zum Teil erheblichen Mehraufwand.
Warum also entscheiden sich Teams trotzdem für verteilte Systeme? Häufig, weil der bestehende Monolith langsam, schwerfällig oder fehleranfällig geworden ist. Wenn Releases schmerzen, neue Features lange brauchen, die Architektur immer brüchiger wirkt und das System an allen Ecken knirscht, liegt der Schluss nahe: Der Monolith ist das Problem – Microservices sind die Lösung.
Aber dieser Schluss ist oft vorschnell.
Denn ein gewachsener Monolith trägt meist nicht deshalb so viele Altlasten mit sich herum, weil er ein Monolith ist, sondern weil er über Jahre hinweg ohne klare architektonische Leitplanken und ohne konsequente Strukturierung gewachsen ist. Die Module sind verwässert, die fachlichen Grenzen oft unklar, die Abhängigkeiten zufällig statt bewusst gestaltet.
Wenn man diese Strukturen wieder schärft, entsteht sehr schnell etwas, das wir heute gerne Modulith nennen: ein modularer Monolith, der die Vorteile einer klaren Architektur mit der Einfachheit eines gemeinsamen Deployments verbindet. In vielen Fällen verschwinden damit bereits jene Probleme, die Teams ursprünglich in Richtunglose gekoppelter Systeme getrieben haben.
Wenn man den gängigen Mythos einmal in Ruhe auseinander nimmt, wird schnell klar, dass lose Kopplung keineswegs ein Allheilmittel ist. Sie ist ein Werkzeug, und wie jedes Werkzeug funktioniert sie nur dann gut, wenn man genau versteht, wofür man sie einsetzt und welchen Preis man dafür zahlen muss.
Die große Erkenntnis aus diesem ersten Teil lautet:
Ein saubermodularisierter Monolith kann viele der angeblichen Vorteile verteilter Architekturen bereits bieten – und das oft mit deutlich weniger Aufwand, weniger Komplexität und weniger Fehlerszenarien. Die Probleme, die häufig als Argument für verteilte Systeme angeführt werden, liegen meist nicht im Architekturansatz selbst begründet, sondern in fehlender Struktur, fehlender Disziplin und einer unklaren Trennung fachlicher Verantwortlichkeiten.
Lose Kopplung kann ein mächtiges Prinzip sein, aber sie ist nicht automatisch der bessere Weg. Und sie ist vor allem nicht immer notwendig.
Im nächsten Teil tauchen wir tiefer ein und klären, wie man reale Systeme tatsächlich modular, stabil und zukunftsfähig gestaltet – ohne sofort in eine Architektur zu flüchten, die das eigene System unnötig verkompliziert. Wir schauen uns an, warum Programmiersprachen und Tooling uns beim Modularisieren häufig im Stichlassen und welche Mechanismen – von Scopes über Artefakte bis hin zu Repository-Strukturen – uns helfen können, echte, überprüfbare modulare Grenzen zu schaffen.
Außerdem beantworten wir die Frage, die in vielen Diskussionen unausgesprochen im Raum steht:
„Wann ist der Punkt erreicht, an dem Microservices wirklich sinnvoll sind – und wann führt dieser Schritt eher in eine Sackgasse?“
Im zweiten Teil wird es konkret. Es geht um Werkzeuge, Strategien und Entscheidungsgrundlagen, damit Architektur nicht zur Glaubensfrage wird, sondern zu einer pragmatischen, gut begründeten Wahl.
Die Idee hinter hoher Kohäsion ist schnell erklärt: Was fachlich zusammengehört, gehörtauch in denselben Modulkontext. Ein Modul soll einen klar definierten Auftrag haben, es soll aus Bestandteilen bestehen, die gemeinsam ein fachliches Zielverfolgen, und es soll nach außen möglichst wenig Implementierungsdetails Preisgeben. Dieser Fokus macht Module verständlicher und handhabbarer und damit in der täglichen Arbeit auch deutlich leichter wartbar.
Lose Kopplung ergänzt dieses Bild, indem Module möglichst wenig voneinander abhängig sein sollen. Idealerweise können Modul-Teams Änderungen vornehmen, ohne ständig in Konflikt mit anderen Modulen oder sogar anderen Teams zu geraten. In einer perfekten Welt könnte man jedes Modul für sich entwickeln, testen, deployen und betreiben – und all das ohne Angst, irgendwo unbeabsichtigt einen Seiteneffektauszulösen (Abbildung 01).

Doch sobald man genauer hinschaut, zeigt sich, dass diese Idealvorstellung keineswegs selbstverständlich ist. Alle Kombinationen, die vom Ideal abweichen, werden oft reflexhaft als „schlecht“ eingeordnet: das alt bekannte Big-Ball-of-Mud-Phänomen, ein System ohne erkennbare Struktur; lose gekoppelte, aber fachlich schwammige Module, die Komplexität eher erzeugen als reduzieren; oder stark verflochtene, aber fachlich saubere Module, die zwar gut abgegrenzt, aber eng voneinander abhängig sind (Abbildung 02).

Dabei lohnt essich, genauer hinzusehen. Nicht jede enge Kopplung ist automatisch ein Makel.Und nicht jede lose Kopplung führt automatisch zu einem robusteren System. DieRealität ist weit nuancierter.
Der entscheidende Haken an der Sache ist, dass lose Kopplung immer auch einen technischen und organisatorischen Preis hat. Wer Module voneinander isoliert, muss ihrer Kommunikation Raum schaffen – und genau dieser Raum kann teuer werden.
APIs müssen gestaltet, dokumentiert, versioniert und getestet werden. Ein eventbasierter Ansatz erfordert das Design von Event-Typen, eine zuverlässige Infrastruktur und eine durchdachte Fehlerstrategie. Und egal ob Events oder APIs: Sobald Module in unterschiedlichen Versionen gleichzeitig im Einsatz sind, steigt der Testaufwand förmlich exponentiell.
Auch die Robustheit kommt nicht von allein. Systeme, die sich zur Laufzeit gegenseitig nicht kennen sollen, müssen mit Resilience-Patterns abgesichert werden. Fallbacks, Timeouts, Circuit Breaker, Retries – all das will gebaut, konfiguriert und überwacht werden. Was in einem Architekturdiagramm noch leichtaussieht, ist in der Praxis ein beträchtlicher organisatorischer und technischer Aufwand.
Je mehr man über lose Kopplung spricht, desto klarer wird: Das Konzept klingt wunderbar –aber es kommt nicht ohne weiteren, zum Teil erheblichen Mehraufwand.
Warum also entscheiden sich Teams trotzdem für verteilte Systeme? Häufig, weil der bestehende Monolith langsam, schwerfällig oder fehleranfällig geworden ist. Wenn Releases schmerzen, neue Features lange brauchen, die Architektur immer brüchiger wirkt und das System an allen Ecken knirscht, liegt der Schluss nahe: Der Monolith ist das Problem – Microservices sind die Lösung.
Aber dieser Schluss ist oft vorschnell.
Denn ein gewachsener Monolith trägt meist nicht deshalb so viele Altlasten mit sich herum, weil er ein Monolith ist, sondern weil er über Jahre hinweg ohne klare architektonische Leitplanken und ohne konsequente Strukturierung gewachsen ist. Die Module sind verwässert, die fachlichen Grenzen oft unklar, die Abhängigkeiten zufällig statt bewusst gestaltet.
Wenn man diese Strukturen wieder schärft, entsteht sehr schnell etwas, das wir heute gerne Modulith nennen: ein modularer Monolith, der die Vorteile einer klaren Architektur mit der Einfachheit eines gemeinsamen Deployments verbindet. In vielen Fällen verschwinden damit bereits jene Probleme, die Teams ursprünglich in Richtunglose gekoppelter Systeme getrieben haben.
Wenn man den gängigen Mythos einmal in Ruhe auseinander nimmt, wird schnell klar, dass lose Kopplung keineswegs ein Allheilmittel ist. Sie ist ein Werkzeug, und wie jedes Werkzeug funktioniert sie nur dann gut, wenn man genau versteht, wofür man sie einsetzt und welchen Preis man dafür zahlen muss.
Die große Erkenntnis aus diesem ersten Teil lautet:
Ein saubermodularisierter Monolith kann viele der angeblichen Vorteile verteilter Architekturen bereits bieten – und das oft mit deutlich weniger Aufwand, weniger Komplexität und weniger Fehlerszenarien. Die Probleme, die häufig als Argument für verteilte Systeme angeführt werden, liegen meist nicht im Architekturansatz selbst begründet, sondern in fehlender Struktur, fehlender Disziplin und einer unklaren Trennung fachlicher Verantwortlichkeiten.
Lose Kopplung kann ein mächtiges Prinzip sein, aber sie ist nicht automatisch der bessere Weg. Und sie ist vor allem nicht immer notwendig.
Im nächsten Teil tauchen wir tiefer ein und klären, wie man reale Systeme tatsächlich modular, stabil und zukunftsfähig gestaltet – ohne sofort in eine Architektur zu flüchten, die das eigene System unnötig verkompliziert. Wir schauen uns an, warum Programmiersprachen und Tooling uns beim Modularisieren häufig im Stichlassen und welche Mechanismen – von Scopes über Artefakte bis hin zu Repository-Strukturen – uns helfen können, echte, überprüfbare modulare Grenzen zu schaffen.
Außerdem beantworten wir die Frage, die in vielen Diskussionen unausgesprochen im Raum steht:
„Wann ist der Punkt erreicht, an dem Microservices wirklich sinnvoll sind – und wann führt dieser Schritt eher in eine Sackgasse?“
Im zweiten Teil wird es konkret. Es geht um Werkzeuge, Strategien und Entscheidungsgrundlagen, damit Architektur nicht zur Glaubensfrage wird, sondern zu einer pragmatischen, gut begründeten Wahl.